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11.3.: Hoch, höher, Huehuetenango

Nach dem langen Reisetag nach Huehuetenango - der Hauptstadt des gleichnamigen Hochland-Departments im Nordwesten Guatemalas - konnten wir im idyllischen Innenhof unseres Hotels "Santo Domingo" kurz durchatmen und die drei wirklich sehr niedlichen Hauskatzen verwöhnen. Solche Verschnaufpausen - wenn auch kurz - helfen auch um die vielen Eindrücke der Reisetage zu verarbeiten und sacken zu lassen. Allein die beeindruckende und sich rasch ändernde Vegetation während der langen Fahrten ist kaum zu fassen. Aus dem schwülheißen Regenwald bei Tak Alik Ab'aj sind wir jetzt also wieder in der trocken-stechenden Hitze des Hochlands auf etwa 2.000 Metern über dem Meeresspiegel.


Nach dem Frühstück ging es aber schon am Samstagmorgen weiter mit dem nächsten Programmpunkt: Die Ruinen der Stadt Zaculeu.



Die frühesten Funde belegen eine permanente Besiedlung durch die Mam-Maya seit der Frühklassik (200-900 n. Chr.). Bis zur Eroberung nach einer Belagerung durch spanische Konquistadoren 1526 war Zaculeu eine stabile und strategisch gut zu verteidigende Festung der Mam-Maya. Nach der Eroberung haben die Mam Zaculeu verlassen.


Erste Ausgrabungen wurden dann ab 1946 durch die United Fruit Company finanziert. Das US-amerikanische Unternehmen kontrollierte im 20. Jahrhundert weite Teile der guatemaltekischen Infrastruktur und hat unter Schützenhilfe der sich abwechselnden Diktaturen und der USA lokale Arbeitskraft für den Exportmarkt ausgebeutet.

Die Investitionen in archäologische Expeditionen können wohl durchaus als Versuch interpretiert werden, die öffentliche Wahrnehmung des Konzerns und dessen Präsenz in Zentral- und Südamerika "reinzuwaschen".



Heute gleichen die Ruinen der Stadt Zaculeu modernen kubistischen Brutalismus-Bauten. Aufgrund fehlender archäologischer Standards wurde anstatt authentischer Materialien aus der Region Zement für die Restauration verwendet. Aus heutiger Sicht wohl eine restauratorische Sünde. Zwar kann man sich aufgrund der scheinbar intakten Strukturen gut einen Überblick über die Tempel, Paläste, Wohngebäude und den Ballspielplatz verschaffen und sich auch bisweilen eine "lebendige Stadt" vorstellen.


Heute könnten archäologische Rekonstruktionen in dieser Form allerdings nicht mehr stattfinden, weil sie authentisch (regionale Materialien, die historisch verwendet wurden, bis hin zum Mörtel der Strukturen), und vor allem reversibel sein müssen.

Dennoch zeugen die Ruinen von Zaculeu von einer beeindruckenden Stadt, die um ein Weiteres die Diversität verschiedener Maya-Kulturen und -Städte aufzeigt.



Auf der Weiterfahrt in Richtung Santa Eulalia durch die "Sierra de los Chuchumatanes" kamen wir an einem Aussichtspunkt in Huehuetenango vorbei, etwa auf 3.200 Metern über dem Meeresspiegel. Die dünne Luft macht sich hier durchaus bemerkbar. Nach nur kurzen Fußstrecken mit leichter Steigung oder nach dem Treppensteigen ist man ziemlich schnell außer Puste und hechelt wie nach einem 100 Meter-Sprint. Viel trinken und Pausen wenn notwendig sind hier die Maxime.



Also: Gruppenfoto zum Beweis geschossen, und weiter geht's mit dem Bus. Den Rest des Tages ging es buchstäblich über Stock und Stein und unbefestigte Schotterstraßen mitten hinein in die "Sierra de los Chuchumatanes". Gefährliche Straßen direkt an Steilhängen meistert unser Fahrer Don Mario mühelos, und uns blieb nur die unglaubliche Vegetation zu bestaunen. Über den Wolken, manchmal im Stau, und meistens im Nebel fuhren wir bis nach Einbruch der Dunkelheit in unser Nachtquartier in Santa Eulalia.



Die kleinen Orte, die wir in der Sierra durchfuhren, zeichnen sich - wie so vieles in Guatemala - durch eine nur schwer zu beschreibende Widersprüchlichkeit aus: Sichtbar ist zunächst, dass es sich um eine der ärmsten Regionen Guatemalas handelt. Tourismus findet hier praktisch nicht statt, genausowenig wie irgendeine Art von Industrialisierung. Es bleibt die Landwirtschaft, die aber insbesondere jungen Menschen in der Region kaum eine Zukunft verspricht. So hoffen viele junge Menschen auf das Glück in den USA und versuchen über Mexiko weiter nach Norden zu migrieren. Gleichzeitig fallen in den kleinen Orten wie etwa San Juan Ixcoy sehr schöne alte koloniale Holzhäuschen sowie moderne Villen in einem bisweilen kitschig anmutenden neo-klassizistischem/US-amerikanischem Stil ins Auge. Das ist ebenfalls ein sekundäres Ergebnis der Armut und damit verbundenen Migration aus der Region. Migrant*innen in den USA verdingen sich oftmals ohne Papiere und senden Geld zurück nach Guatemala; die sogenannten 'Remesas'. Diese in US-Dollar rücküberwiesenen Remesas machen mehr als 50% der US-Dollar-Devisen Guatemalas aus. Mehr als Deviseneinnahmen durch den Tourismus. Die Gelder werden von Angehörigen dann beispielsweise in Häuser in den Chuchumatanes investiert, in der Hoffnung, dass die Migrant*innen eines Tages als reiche Menschen aus den USA in die Heimat und in ein neues Heim zurückkehren können. Ein Traum, der sich häufig nicht erfüllt. Entsprechend stehen viele Neubauten in den kleinen Dörfern leer oder sind nur zur Hälfte fertiggestellt. So wird in der Region viel gebaut, doch bleiben die Orte halbe Geisterstädte - mitten in den schönsten Tälern und Wäldern, die man sich vorstellen kann.



Diese Eindrücke hat die gesamte Gruppe während der Fahrt gebannt aus den Fenstern des Busses starren lassen. Für mich ganz persönlich kann ich sagen, dass die Fahrt durch die Sierra de los Chuchumatanes bis jetzt zu den beeindruckendsten Erlebnissen unserer Exkursion zählt, und ich hatte während der Fahrt den Eindruck, noch nie so weit entfernt von "Zuhause" gewesen zu sein, und allem was ich kenne. Versuche, die Eindrücke durch Fotos von den Orten, der Region, der Täler und Wälder einzufangen, müssen wohl schon aufgrund der Dichte und Intensität der Erfahrungen und Eindrücke scheitern. Und wie eine Mitreisende völlig richtig sagt: Manche Dinge lassen sich eben nur mit den Augen fotografieren.


Sehr geschafft und müde sind wir dann schließlich im gespenstisch-nebligen Santa Eulalia angekommen und im Hotel San Luis untergekommen. Schnell noch eine Portion Tacos zum Abendbrot verspeisen und ab ins Bett, denn am nächsten Tag sollte schon um 4:30 Uhr der Wecker klingeln...


Saludos cordiales und bis die Tage Leo

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